Katrin Schneeberger ist Direktorin des Bundesamts für Umwelt BAFU. Im Interview spricht sie über den Fahrplan zu Netto-Null.
Katrin Schneeberger leitet seit dem 1. September 2020 das Bundesamt für Umwelt BAFU. Zuvor war die Wirtschaftsgeografin und Soziologin stellvertretende Direktorin und Vizedirektorin des Bundesamts für Strassen Astra. ©KEYSTONE/Christian Beutler
Die Schweiz hat sich im Rahmen des Übereinkommens von Paris verpflichtet, bis 2030 ihren Treibhausgasaus-stoss gegenüber dem Stand von 1990 zu halbieren. Zudem soll sie bis 2050 klimaneutral werden. Wie kommen wir dorthin?
Katrin Schneeberger: Das Netto-Null-Ziel bis 2050 strebt nicht nur der Bundesrat an, sondern auch die im November 2019 eingereichte Gletscher-Initiative. Der Bundesrat hat Anfang 2021 seine langfristige Klimastrategie veröffentlicht. Sie zeigt auf, dass die Treibhausgasemissionen mit den bereits bekannten und er probten Technologien bis 2050 um 90 Prozent gesenkt werden können. So soll der Gebäudepark und der Verkehr CO2-frei werden. In der Industrie werden aber zum Beispiel aus der Zementherstellung schwer vermeidbare Emissionen verbleiben. Diese müssen durch sogenannte Negativemissionstechnologien ausgeglichen werden.
Was erwarten Sie von der Wirtschaft hin zu Netto-Null?
Der Gletscher-Initiative will das Parlament ein neues Gesetz über die Ziele im Klimaschutz entgegenstellen. Dieses verlangt zusätzlich zum Netto-Null-Ziel für die Schweiz auch von allen Unternehmen, dass sie bis 2050 klimaneutral werden. Sie sollen dafür Netto-Null-Fahrpläne ausarbeiten, die nicht nur die betriebseigenen Emissionen, sondern auch die Emissionen des Stroms umfassen.
Wie wollen und können Sie die Anstrengungen der Wirtschaft unterstützen?
Der Bund stellt für die Erarbeitung von Netto-Null-Fahrplänen Grundlagen bereit und bietet eine Beratung an. Unternehmen mit Netto-Null-Fahrplänen, die neuartige Technologien anwenden, kann er finanziell unterstützen. Bis 2030 sollen dafür gesamthaft 1.2 Milliarden Franken bereitstehen. Weiter unterstützt der Bund die Unternehmen über das Netzwerk Ressourceneffizienz Schweiz fachlich und finanziell bei der Planung und Umsetzung von Massnahmen für eine bessere Ressourceneffizienz.
Die Umsetzung von Netto-Null wird für viele ein Kraftakt werden. Wie kommen Sie den Unternehmen entgegen, sodass sie weiterhin in der Schweiz produzieren können?
Die Unternehmen können sich weiterhin von der CO2-Abgabe befreien. Das ist heute nur den Unternehmen aus bestimmten Branchen vorbehalten. Nach dem Willen des Bundesrates soll diese Möglichkeit künftig allen offenstehen. Innovativen Unternehmen, die klimafreundliche Lösungen entwickeln, kann der Bund mit verschiedenen Förderinstrumenten unter die Arme greifen; so zum Beispiel mit der Umwelttechnologieförderung, dem Pilot- und Demonstrationsprogramm oder dem Technologiefonds, der Bürgschaften für Darlehen gewährt.
«Die Unternehmen können sich weiterhin von der CO2-Abgabe befreien.»
Katrin Schneeberger, Direktorin des Bundesamts für Umwelt BAFU
Wie kann die Wirtschaft den Bund auf dem Weg zur Umsetzung des neuen CO2-Gesetzes unterstützen?
Die Unternehmen erkennen zunehmend, dass sie sich auf eine Welt ohne fossile Energien vorbereiten müssen. Viele müssen sich strategisch neu ausrichten und ihre Geschäftsmodelle überprüfen. Denn auch immer mehr Investoren erwarten von den Unternehmen, dass sie ihre Tätigkeit klimafreundlich ausrichten. Mit den fossilen Energien sind zudem aufgrund der Versorgungslage viele Risiken verbunden.
Für den Fall, dass das neue CO2-Gesetz ein weiteres Mal abgelehnt würde: Wie lange lässt sich die heutige Übergangsregelung verlängern?
Grundsätzlich gibt es für weitere Verlängerungen keine Grenzen. Diese müsste das Parlament beschliessen. Und dafür sind vorgängige Beratungen in beiden Kammern nötig. Diese werden Zeit beanspruchen. Die für die Wirtschaft wichtige Planungs- und Investitionssicherheit würde darunter leiden, zumal weiterhin nicht klar wäre, wie die Schweiz ihre internationale Verpflichtung zum Klimaschutz einhalten kann. Dafür braucht es mehr als eine Verlängerung der bestehenden Instrumente.
Worauf blicken Sie im Jahr 2030 persönlich mit Stolz und Freude zurück?
Wenn es uns gelungen ist, den CO2-Ausstoss zu senken, die Biodiversität zu stärken und dank der Kreislaufwirtschaft die Ressourcen mehr zu schonen, werde ich zufrieden sein. Dafür setze ich mich ein und hoffe, dass wir die gesteckten Ziele erreichen.
Das Gespräch mit Katrin Schneeberger fand im August statt. Ende September hat das Parlament das «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit» beschlossen. Die Initianten haben die Gletscher-Initiative daraufhin bedingt zurückgezogen.