Fünf Schritte sind bei der Umsetzung einer CO2-freien Produktion Erfolg versprechend:
Schritt 3: Prozessumstellung
In vielen Fällen können Prozesse auf weniger hohe Temperaturanforderungen, oft verbunden mit einem geringeren Energiebedarf, umgestellt werden. Solche Prozessumstellungen können sich lohnen, aber auch teuer und risikobehaftet sein. Entsprechend ist hier eine gewisse Zurückhaltung zu spüren. Begründungen wie: «wir lassen es so – so hat es immer funktioniert» oder «lass die Finger von den Einstellungen, das habe ich von meinem Vorgänger so übernommen» sind häufige und nachvollziehbare Reaktionen. In die Black-Boxen der Prozesse hineinschauen und dafür das nötige interne oder externe Fachwissen einsetzen, gewisse Risikobereitschaft und -fähigkeit, viel Innovation, Forschung und Entwicklung spielen für emissionsreduzierende Prozessumstellungen eine wichtige Rolle. Möglicherweise braucht es darüber hinaus Instrumente zur Absicherung von Risiken, um die Umsetzung von emissionsreduzierenden Prozessumstellungen anzustossen. Dies könnten Risikogarantien für grosse Technologiesprünge sein.
Entwicklung und Anpassungsfähigkeit sind herausragende Eigenschaften der Metalcolor AG in Forel (VD), die zu grossen Teilen mit der Verbesserung der Energieeffizienz zusammenhängt. Metalcolor wurde 1981 gegründet und ist auf das «Coil coating», die kontinuierliche Bandbeschichtung von Aluminium, spezialisiert, das hauptsächlich bei der Herstellung von Lamellenstoren zum Einsatz kommt. «Es ist das wirksamste, sicherste, aber auch umweltverträglichste Verfahren, um hochwertige Farben auf Metalloberflächen anzubringen», erklärt Chemieingenieur Denys Kaba, General Manager der Metalcolor AG.
Die industrielle und kommerzielle Stärke von Metalcolor liegt in der Leistungsfähigkeit ihrer Produktion und im durchdachten Betriebskonzept, deren Kombination kurze Lieferfristen und massgeschneiderte Produkte in einer unbegrenzten Farbauswahl ermöglichen. Zwei Beschichtungsanlagen, von denen eine 2021 mit einem zusätzlichen Beschichtungsabschnitt ausgerüstet werden soll, liefern Chargen von 100 Kilogramm bis mehreren Dutzend Tonnen. Ergänzt werden sie durch zwei Spaltanlagen. Die Jahresproduktion, die zu 93 Prozent in die Europäische Union exportiert wird, ist seit 2004 von 8000 auf 16 000 Tonnen gestiegen. Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses 2015 hat diese Entwicklung kaum behindert.
In der Summe liegt der Erfolg
In dieser Zeit hat Metalcolor es geschafft, seinen Gasverbrauch bei gleichbleibender Produktion um zwei Drittel zu verringern, und zwar durch Erneuerung der Anlagen, Optimierung ihrer Nutzung, durch ständige Verbesserung der Rezepturen und systematische Wärmerückgewinnung. «Wir haben ausserdem die Abläufe in Abstimmung mit unseren Werksarbeitern für eine schlanke Produktion optimiert und so die manuellen Eingriffe, Bewegungsabläufe, Zeitaufwand und Rohmaterialverbrauch verbessert», erklärt Kaba. Auf einer unserer Beschichtungsanlagen wurde beispielsweise ein neues Verfahren eingeführt, mit dem die Neustartzeit der Maschinen beim Übergang zur nächsten Bestellung mit Farbwechsel verringert wird. «Dank dieser Energie- und Zeitgewinne konnten wir, wie mit den übrigen Massnahmen, unseren ökologischen Fussabdruck und gleichzeitig auch unsere Kosten reduzieren. So haben wir 2015 dem Schock standgehalten.»
Ständige interne Verbesserung
Die Verbrennung der Lösungsmittel ist ein Paradebeispiel für die ständige Weiterentwicklung der Verfahren. Nach mehreren Optimierungen wurde die Verbrennungsanlage 2018 durch ein regeneratives Modell ersetzt, das bei geringerem Strom- und Gasverbrauch und tieferem CO2-Ausstoss einen besseren Lösungsmittelabbau ermöglicht. Das Warmwasser aus der ebenfalls verbesserten Wärmerückgewinnung dient der Beheizung der neuen Lager- und Versandhalle, die sich über 2800 Quadratmeter erstreckt, der Produktionshalle und der bisher ölbeheizten Büroräume.
Eine weitere Neuerung ist die digitale Steuerung der Druckluftanlage, die «eine grosse Energieeinsparung» bringt, wie ISO-Koordinatorin Morgane Bourdon erklärt. Und damit sind die Effizienzsteigerungen bei Metalcolor noch längst nicht abgeschlossen. Geplant sind eine 1100 Kilowatt-Peak Photovoltaikanlage auf dem Dach, die Optimierung der Warmluftrückgewinnung in den Öfen, ein zusätzlicher Beschichtungsabschnitt auf den Beschichtungsstrassen und damit weitere Gas- und Stromeinsparungen.
Dämmung – Immer aktuell
Unweit von Forel, in Châtel Saint-Denis (FR), arbeitet Chemieingenieur Jacques Esseiva, der technische Direktor von swisspor Romandie, an einem neuen Projekt zur Erreichung der CO2-Neutralität in den Werken Châtel I und II. Wie in Châtel I, das Dämmstoffe aus expandiertem Polystyrol herstellt, möchte er in Châtel II die Wärmerückgewinnung bei der Produktion der Polyurethan-Isolationsplatten optimieren.
Beim Dämmspezialisten swisspor beginnt Energieeffizienz selbstverständlich mit optimaler Gebäudeisolation und Dächern, die grossflächig mit Photovoltaik-Modulen bedeckt sind. Die Wärmerückgewinnung in den zwei Werken beheizt neben den Hallen und Büros auch die Einfamilienhäuser neben Châtel I. In Châtel II dienen die 12 500 Quadratmeter des Betonbodens zwischen der Produktionshalle im Erdgeschoss und der darüberliegenden Lagerfläche als Wärmespeicher und Puffer bei saisonalen Schwankungen.
Die Einrichtungen werden bei jeder Geräteanpassung systematisch auf beste Energieeffizienz eingestellt. Neue Verfahren liefern ausserdem ebenfalls beeindruckende Ergebnisse. «In Châtel I hat ein Technologiewechsel bei der Verarbeitung von Pentangas eine jährliche Verminderung des Erdgasverbrauchs von 400 000 Kubikmetern gebracht», erklärt Esseiva. Der restliche Gasverbrauch ist heute CO2-neutral zertifiziert.
Wärme vorgelagert nutzen
In der grossen Produktionshalle von Châtel II werden jährlich 2 600 000 Quadratmeter Polyurethan in verschiedenen Dicken hergestellt. Der Prozess beginnt mit einer leicht schaumigen Masse, die bei der Vermengung von Polyalkohol mit einem Isocyanat und der Beigabe eines Treibmittels, hier Pentan, entsteht. Der Schaum härtet innerhalb weniger Sekunden und muss deshalb sehr schnell in Platten abgeformt und anschliessend ober- und unterseitig kaschiert werden. Die Platten werden zuerst in 7.2 Meter lange Stücke geschnitten und durchlaufen danach einen 1.7 Kilometer langen Weg, der zuerst nach oben und schliesslich nach unten zu den Schneide- und Verpackungsanlagen führt. «Auf diesem Weg», erklärt Esseiva, «setzen die Platten nach und nach die Wärme aus der stark exothermen chemischen Reaktion frei. Diese Wärme wird heute in einem Kühlturm gespeichert und für die Raumheizung und Warmwassererzeugung genutzt. Mit einer vorgelagerten Rückgewinnung könnten wir aber den Erdgasverbrauch sogar auf Null senken.» Fortsetzung garantiert…
Andere Geschichte, gleiches Thema
Die Blanchisserie du Léman hat ihren Sitz seit 2011 in der Industriezone von Satigny (GE), wo sie einen Teil einer grossen Halle nutzt. Schon beim Einzug war Energieeffizienz ein wichtiger Aspekt, der mit modernen Einrichtungen und Konzepten umgesetzt wurde.
Auf den ersten Blick wirkt die Wäscherei wie ein riesiger Bienenstock. Unter der LED-Beleuchtung, wo früher 450 Leuchtstoffröhren hingen, wimmelt es nur so. Täglich kommen hier bis zu 20 Tonnen Wäsche und Kleider aus Hotellerie und Gesundheitswesen zusammen. Alles wird sorgfältig sortiert, denn «jedes Wäschelos kann Überraschungen enthalten, seien es Gläser, Besteck oder auch mal einen Fisch!» lacht Direktor Denis Mauvais. Ein Teil der Wäsche wird den kleinen Waschmaschinen für Spezialitäten wie besondere Hygienebedürfnisse zugeführt, der Rest gelangt in einen der zwei grossen Waschtunnels, die sich über rund 15 Meter erstrecken. Die Wäsche wird in 50-Kilo-Säcke geladen, über ein schwebendes Schienensystem transportiert und fällt dann Sack für Sack in das erste der dreizehn Module des Waschtunnels. Jedes Los wird über eine riesige Schraube im Innern des Waschtunnels von einem Modul zum andern befördert. Die Anlage verarbeitet stündlich 1200 Kilogramm Wäsche. Alles ist bis ins letzte Detail softwaregesteuert: Kundenzuweisung, Wäscheart, hochpräzise Dosierung der chemischen Zusätze.
Die Einhaltung einiger weniger Regeln garantiert einen ebenso sparsamen Wasserverbrauch. Jede Maschine läuft voll beladen, sauberes Wasser wird nur wo nötig eingesetzt und das Spülwasser wird für die Vorwäsche ein weiteres Mal verwendet. Auch die Warmwasserproduktion wird streng kontrolliert. Über einen Wärmetauscher heizt das Abwasser aus den Waschtunnels das einlaufende Frischwasser vor. «Die Blanchisserie du Léman verbraucht durchschnittlich 600 Kubikmeter Wasser pro Woche fürs Waschen, Bügeln und Falten von 80 bis 100 Tonnen Wäsche. Das entspricht einem Verbrauch von rund 6.5 Liter Wasser pro Kilogramm Wäsche, zwei- bis dreimal weniger als bei haushaltsüblichen Geräten», erklärt Mauvais.
Einer der ersten und wichtigsten Energieentscheide ist jedoch viel unauffälliger als die Waschtunnels oder die Bildschirme der Steuerzentrale. Verschwunden sind die Hochdruckheizkessel, die früher mit 12 Bar in jeder Grosswäscherei 180 Grad heissen Wasserdampf für das Bügeln und Falten der Wäsche erzeugten. «Wir haben hier fünf kleine Heizkessel, die gleich neben den Mangeln stehen. Sie gewährleisten einen kurzen Tiefdruckkreislauf, in dem die benötigte Wärme mit Thermoöl verteilt wird.»
Die Entscheide der Anfangsphase und die späteren technischen und arbeitsspezifischen Anpassungen, beispielsweise kürzere Aufstart- und Betriebszeiten, haben es ermöglicht, von 2013 bis 2019 «den Erdgas- und Stromverbrauch insgesamt konstant zu halten, während das Wäschevolumen gleichzeitig um satte 44 Prozent zunahm». Im Lauf der Jahre ist also der Energiebedarf für die Verarbeitung eines Kilogramms Wäsche von anfänglich 1.7 auf unter 1.1 Kilowattstunden gesunken. Die positiven Effekte dieser Entwicklung waren Kostenminderungen, ein finanzielles Plus aus der Rückerstattung der CO2-Abgabe und schliesslich eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.
Ein guter Grund also, diese Leistung nicht auf die Wäscherei zu beschränken. Mauvais dazu: «Wir setzen alles daran, um Abhol- und Lieferfahrten zu reduzieren, fokussieren uns bewusst auf lokale Kunden und setzen bei der Wahl unserer Lastwagen immer auf die beste Norm.»
Industrielle Arten in der Evolution: ein Nachwort
Unternehmen entwickeln sich als eine Art «Industriespezies» von Generation zu Generation weiter, um den stetigen Wandel ihres wirtschaftlichen und rechtlichen «Ökosystems» und ihrer Umwelt nachzuvollziehen. Dabei verbessern sie ihre «Lebensweise» mit immer neuen Infrastrukturen und Strategien, die den optimalen Einsatz von Energie- und Materialressourcen und den eigentlichen Unternehmenszweck einer effizienten Produktion sicherstellen. Wichtigster Trend ist heute die Aufrüstung der unternehmerischen «Nervensysteme» mit Rechnern, die den Betrieb der verschiedenen Anlagen anhand von Sensoren und technologischen Innovationen optimieren und aufeinander abstimmen. Ein Blick in die Natur zeichnet ein faszinierendes und vielversprechendes Bild: Seit fast vier Milliarden Jahren ist eine ausgewogene, wirksame Entwicklung auch ein Zeichen für Nachhaltigkeit. In industrieller Hinsicht verfügen wir ausserdem über die wertvolle Möglichkeit, diese Entwicklung zu beeinflussen und zu steuern.
«Hochtemperatur-Wärmepumpen liefern Prozesswärme bis 160 Grad Celsius»
Interview mit Dr. sc. techn. Cordin Arpagaus, Fachhochschule OST (ehemals NTB) in Buchs, Institut für Energiesysteme (IES)
Herr Arpagaus, welche Bedeutung haben Wärmepumpen für die Schweizer Industrie?
Wärmepumpen werden heute in neuen Wohn- und Gewerbeliegenschaften sehr oft zur Bereitstellung von Heizwärme und Warmwasser eingesetzt. In der Industrie erzeugen sie Prozesswärme von typischerweise 80 Grad Celsius. Mit der Nutzung industrieller Abwärme können Wärmepumpen aus einer Kilowattstunde elektrischer Energie – idealerweise aus erneuerbaren Quellen – vier Kilowattstunden Prozesswärme bereitstellen. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Energieeffizienz und zur CO2 Reduktion durch Austausch von Gas- und Ölheizungen, die heute meistens zur Herstellung von Prozesswärme eingesetzt werden. Viel mehr als die Hälfte des Energiebedarfs der Schweizer Industrie ist Prozesswärme.
In welchen Branchen werden Wärmepumpen bisher eingesetzt?
Ein typisches Anwendungsgebiet ist die Lebensmittelindustrie. Hier kommen vielerorts Kältemaschinen zum Einsatz. Deren Abwärme kann von Wärmepumpen genutzt werden, um Prozesswärme im Bereich von 80 bis 90 Grad Celsius bereitzustellen, wie sie in der Lebensmittelindustrie vorzugsweise gebraucht wird. In der Schweiz werden jedes Jahr rund 200 grosse Wärmepumpen mit über 100 Kilowatt Heizleistung installiert. Sie kommen unter anderem in diversen Industriebranchen und Fernwärmenetzen zum Einsatz. Nicht selten stellt eine Wärmepumpe die Grundlast sicher, während ein Gaskessel die Spitzenlast abdeckt.
Prozesswärme wird in vielen Fällen bei Temperaturen von 100 und mehr Grad benötigt.
Moderne industrielle Hochtemperatur-Wärmepumpen stellen Prozesswärme in Form von heissem Wasser und Dampf auf unterschiedlichen Druckniveaus bis 160 Grad Celsius bereit. Das erweitert die Einsatzmöglichkeiten von Wärmepumpen in der Industrie enorm, insbesondere bei Trocknungsprozessen oder zur Sterilisation und Pasteurisation. Neben der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sind die Papier-, Chemie-, Metall- und Kunststoffindustrie angesprochen, aber auch die Holz- und Futtermittelindustrie.
Wie stellt ein Unternehmen fest, ob der Einsatz einer Wärmepumpe sinnvoll ist?
Am Anfang sollte eine gesamtheitliche thermische Betrachtung aller Heiz- und Kühlprozesse stehen. Ich empfehle dafür eine Pinch-Analyse. Sie zeigt, welche Prozesse sich gut miteinander koppeln lassen und wo Potenzial für Wärmerückgewinnung vorhanden ist. Die Berücksichtigung der Pinch Temperatur ermöglicht eine Auslegung des Wärmepumpen-Systems mit maximaler Effizienz. Der Energieverantwortliche des Unternehmens sollte für eine Pinch-Analyse erfahrene Berater zuziehen und die nötige Zeit dafür vorsehen; sie kann bis zu drei Monate in Anspruch nehmen. Die Analyse wird vom Bundesamt für Energie finanziell unterstützt.
Lohnt sich der Einsatz einer Wärmepumpe finanziell?
Eine industrielle Wärmepumpe ist in der Anschaffung zwar teurer als ein Gaskessel, über den ganzen Lebenszyklus hinweg betrachtet mit langer Betriebszeit fährt der Nutzer unter Berücksichtigung der tieferen Betriebskosten aber oft günstiger. Die Wirtschaftlichkeit einer Wärmepumpe steigt mit tieferem Preisverhältnis von Strom zu Gas und höherer Leistungszahl (COP). Zusätzlich zu berücksichtigen sind Umweltabgaben auf CO2-Emissionen, die insbesondere bei fossilen Brennstoffen zukünftig noch deutlich steigen können.
Literaturhinweis:
Dr. Cordin Arpagaus: Hochtemperatur-Wärmepumpen: Marktübersicht, Stand der Technik und Anwendungspotenziale, ISBN 978-3-8007-4550-0 (Print), 978-3-8007-4551-7 (E-Book), VDE Verlag, 2019.