Ohne Papier, Glas oder Stahl geht es nicht. Aber was braucht es, damit die Basisindustrien in der Schweiz nicht auf der Strecke bleiben? Gute Rahmenbedingungen und eine Interessengemeinschaft, die sich dafür einsetzt.
Heute als Verein etabliert, startete die IGEB 1997 als Interessengemeinschaft der energieintensiven Branchen, um sich gegen schädliche energiepolitische Vorlagen zu wehren. Im Laufe der Jahre wurde immer deutlicher, dass sich daraus ein globales und vor allem wirtschaftliches Thema entwickelte. Das Engagement der energieintensiven Branchen in Sachen Energieeffizienz wird im Zeitalter von Globalisierung und Digitalisierung zu einem existenziellen Pfeiler für den Erhalt der Basisindustrien in der Schweiz. Zu den Energieintensiven gehören vor allem Unternehmen aus Industrien, die mindestens zehn Prozent ihrer Bruttowertschöpfung für Energiekosten aufwenden: Papier-, Stahl-, Zement- oder Chemiehersteller, Giessereien und die Glasproduzenten.
MIT GEGEBENEN RAHMENBEDINGUNGEN ÜBERLEBEN
IGEB-Präsident Frank R. Ruepp engagiert sich zusammen mit dem Vorstand, Geschäftsführer Max Fritz und den Mitgliedern dafür, dass die spezifischen Interessen der energieintensiven Branchen gegenüber Politik, Öffentlichkeit und Verwaltung vertreten werden. «Wir setzen uns hauptsächlich dafür ein, dass die energieintensiven Betriebe im internationalen Standortwettbewerb mithalten können», so Ruepp. Dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Die IGEB begleitet die Energie- und CO2-Politik sehr eng. Und sie wird gehört. Zusammen mit anderen Wirtschaftsverbänden steht die IGEB heute auf den grossen Vernehmlassungslisten. Diskutiert wird über Industriestrompreise, CO2-Abgaben, Versorgungssicherheit oder das Emissionshandelssystem – alles im Dienste des Erhalts der Basisindustrien und ihren Arbeitsplätzen in der Schweiz. Auch gilt es, die Bedeutung der Energieintensiven als Hersteller von Grundstoffen hervorzuheben. Ohne Zement, Ziegel und Mischgut sind bauliche Fortschritte nicht möglich. Ohne Glas gäbe es keine Fenster. Ohne Stahl könnte der technische Fortschritt nicht realisiert werden und ohne Chemie gäbe es die Pharmaindustrie nicht. So existenziell die Industrien für die Schweiz sind, so existenziell sind die nationalen Rahmenbedingungen: sie entscheiden über Leben und Tod der energieintensiven Branchen in der Schweiz.
«Verbrauch ist nicht gleich Verschwendung.»
Frank Ruepp, Präsident der IGEB, im Interview über die Leistungen, Herausforderungen und Perspektiven der Energieintensiven.
Herr Ruepp, Sie vertreten die Energieintensiven Branchen. Sind diese nicht nur laut und schmutzig?
Spricht man von energieintensiven Betrieben, geht oft vergessen, dass ein Grossteil der Recyclingleistungen in der Schweiz von genau diesen bewältigt wird. Auch als Arbeitgeber, Steuerzahler und Energiebezüger leisten die Branchen einen substanziellen Beitrag zum Erhalt der Schweizer Basisindustrien. Eine unserer Aufgaben ist es, diese Botschaften bei Entscheidungsträgern zu verankern und dafür zu sorgen. dass die Basisindustrien nicht auf der Strecke bleiben.
Was ist dabei die grösste Herausforderung?
In der Öffentlichkeit wird der Energieverbrauch häufig mit Energieverschwendung gleichgesetzt. Dass dies den energieintensiven Branchen unrecht tut, beweisen die ihnen zugrunde liegenden physikalischen Produktionsprozesse. Das Schrottschmelzen braucht auf der ganzen Welt dieselbe Menge Energie. Was man dabei entscheiden kann ist, ob die Energie in der Schweiz oder im Ausland eingesetzt werden soll und wie sauber sie produziert wird. Ökologisch ist es nicht sinnvoll, Schweizer Altpapier, Altglas oder Schrott im Ausland verarbeiten zu lassen, da graue Energie durch den Transport von Recyclingmaterial und Neuproduktionen anfallen würde. Als Recycler der Nation stehen die IGEB-Mitglieder für kurze, geschlossene Kreisläufe und versuchen möglichst energieeffizient zu produzieren. Die IGEB ist in der Politik und der Verwaltung heute gut etabliert. Ihre Anliegen finden Gehör.
An welches Anliegen denken Sie?
Das Thema Strompreiserhöhung um «ja nur einen Rappen» für Netzentgelte, Steuern und Abgaben usw. kam in Politik und Verwaltung öfter auf. Dieser eine Rappen führt bei einem durchschnittlichen Haushalt zu einer leicht erhöhten Jahresstromrechnung von unter 50 Franken, was als verkraftbar abgestempelt wird. Dann kommen wir ins Spiel. Am Beispiel der Perlen Papier AG können wir zeigen, dass der eine Rappen für energieintensive Betriebe jährlich mehrere Millionen Franken Zusatzkosten ausmacht. Geld, das fehlt und auch Arbeitsplatzabbau heissen kann. Man kann diese schweizspezifischen Kosten eben nicht auf die Kunden abwälzen, weil diese ihre Produkte dann im Ausland beziehen, wo diese Mehrkosten für die Unternehmen nicht anfallen.
Das Wichtigste sind also vergleichbare Rahmenbedingungen mit der Konkurrenz im Ausland?
Die energieintensiven Industrien in der Schweiz dürfen in der Industriepolitik keine Nachteile haben. Wenn im europäischen Ausland eine Politik betrieben wird, die grosse Energieverbraucher durch umfassende Entlastungen oder Sonderlösungen bevorzugt, müssen wir in der Schweiz mithalten können. Grundsätzlich wollen wir keine zusätzliche Unterstützung oder Subventionen. Wir wollen nur keine zusätzliche Belastung und gleich lange Spiesse. Denn die Energieeffizienz ist für jedes energieintensive Unternehmen der Schlüsselfaktor, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.
Die IGEB ist Trägerorganisation der EnAW. Warum funktioniert deren Energie-Management-System?
Die rund 100 EnAW-Berater sind Profis aus der Praxis. Ihre Erfahrung und Beratung generieren für unsere Mitglieder einen echten Mehrwert. Ich bin überzeugt, dass das Modell der EnAW auch global eine wichtige Rolle spielen könnte und die Technologien und Dienstleistungen aus der Schweiz einen essenziellen Beitrag an die grossen, weltpolitischen Klimaziele leisten könnten.
Zur Person
Frank R. Ruepp ist Verwaltungsrat der vonRoll infratec (holding) ag und Präsident der Interessengemeinschaft der energieintensiven Branchen (IGEB).